Historisches

1872 ruft eine Initiative um den Architekten Heinrich von Ferstel den „Wiener Cottage Verein“ ins Leben. Das Ziel der Gruppe ist ebenso einfach wie ambitioniert: Um der steten Wiener Wohnungsnot entgegenzuwirken und ein Leben nach dem Vorbild der britischen Gartenstädte zu ermöglichen, sollen zwischen Gymnasiumstraße, Haizingergasse, Sternwartestraße und Cottagegasse zunächst 50 Ein- und Zweifamilienhäuser, sogenannte Cottages, entstehen. Diese Anlagen zeichnen sich durch eine Reihe von Eigenheiten aus:

So verpflichten sich die Mitglieder im Jahr 1873,„keine Bauten aufzuführen, welche auch nur einem der übrigen Cottagebesitzer die freie Aussicht, das Licht und den Genuss frischer Luft benehmen würden, ferner keinerlei Gewerbe auf diesen Realitäten zu betreiben oder durch andere betreiben zu lassen, welches vermöge der Erzeugung von Dünsten oder üblen Gerüchen, vermöge des damit verbundenen Lärms oder möglicher Feuersgefahr den Nachbarn belästigen würde“.

Weiters wird festgelegt, dass

  • die Bauten höchstens zweistöckig sein dürfen,
  • zu den Nachbarvillen ein Mindestabstand einzuhalten ist und
  • die Wohnhäuser jeder Gruppe ein regelmäßiges Viereck bilden, in dessen Mitte sich die Hausgärten zu einem Gartenkomplex zusammenschließen.

Der architektonische Stil der Bauten steht den jeweiligen Bauherren zwar frei. Die Bauten müssen aber„in ihrer Gesamtheit einen angenehmen, den Charakter von Stadt und Land auf´s Trefflichste vermittelnden, völlig einzigartigen und doch einheitlichen Eindruck“ machen.

Diese freiwillige Verpflichtung ist als „Cottage-Servitut“ bekannt und wurde im Grundbuch eingetragen. Sie ist auch heute rechtsgültig und rechtswirksam.

Das Wiener Cottage ist ein Erfolg. Sowohl bei seinen Bewohnern – darunter Arthur Schnitzler und Felix Salten – als auch als städtebauliches Vorbild. 1910 greift die Stadt Wien auf die Erfahrungen des Cottage Vereins zurück und lässt seine Grundsätze in eine neue Bauordnung und später in seine Flächenwidmungspläne einfließen. Für das Cottage bedeutet dies, dass die freiwillige Verpflichtung nunmehr öffentliches Recht darstellt.


Interessante Artikel dazu:

– Magazin Wien Museum „Der Inbegriff aller Wohnungspoesie“ (2022) von Astrid Göttche anlässlich 150 Jahre Wiener Cottage Verein

– Diplomarbeit von Astrid Göttche an der Universität Wien Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät „Wiener Villengärten zwischen Historismus und Moderne“ (2008) – als pdf-Download

– Heidi Brunnbauer „Im Cottage von Währing-/Döbling“ in drei Bänden, erhältlich im Buchhandel und in der Wienbibliothek als pdf-Download

– Heidi Brunnbauer/Erich Stöger „Das Wiener Cottage- Der Traum vom gesunden Wohnen“ (2022) über den Link direkt bestellbar